Einmal im Monat trifft sich die Jugendtrauergruppe des Kinder- und Jugendhospizdiensts Sternentraum. Abwechselnd vor Ort und online kommen Teenager aus dem ganzen Rems-Murr-Kreis zusammen. Sie reden, basteln, lachen gemeinsam – und verarbeiten dabei ihren Schmerz. 

Backnager Kreiszeitung 19. November 2021
Von Melanie Maier

Birgit Ekert (links), ehrenamtliche Mitarbeiterin bei Sternentraum, und Kirsten Allgayer (rechts), Leiterin und Koordinatorin des Hospizdiensts, begleiten Katja Guilliard, Teilnehmerin der Jugendtrauergruppe, schon seit mehreren Jahren. Fotos: T. Sellmaier
Birgit Ekert (links), ehrenamtliche Mitarbeiterin bei Sternentraum, und Kirsten Allgayer (rechts), Leiterin und Koordinatorin des Hospizdiensts, begleiten Katja Guilliard, Teilnehmerin der Jugendtrauergruppe, schon seit mehreren Jahren. Fotos: T. Sellmaier

BACKNANG. „Viele stellen sich unter einer Trauergruppe vor, dass man sich trifft und nur traurig ist“, sagt Katja Guilliard. Doch das, erklärt sie, sei eine falsche Vorstellung. „Es kommt schon auch mal Trauer auf. Aber eigentlich sind die Treffen immer fröhlich und schön. Danach fühle ich mich immer erleichtert.“ Seit sechs Jahren nimmt die 15-Jährige aus Waiblingen-Neustadt an den Trauertreffen des Backnanger Kinder- und Jugendhospizdiensts Sternentraum teil. Von acht bis zwölf Jahren war sie in der Kindertrauergruppe, seit drei Jahren ist sie in der Jugendtrauergruppe für Teenager aus dem ganzen Rems-Murr-Kreis. 

Eine Mitarbeiterin des Hospizdiensts betreute Katja Guilliard und ihre Mutter bereits, als ihr Vater noch am Leben war. Er starb mit nur 50 Jahren an Krebs, an einem Nebennierenrinden-Karzinom. Für die damals achtjährige Katja eine sehr schwierige Zeit. Weil ihre Mutter fast nur noch im Krankenhaus, bei ihrem Vater, war, wohnte sie zeitweise bei ihrer Großmutter; die meiste Zeit aber bei der Familie ihrer Taufpatin in Backnang. Sie habe damals nicht verstanden, wie ernst es um ihren Vater stand, sagt Katja Guilliard an diesem Abend. Sie sitzt in einem langen, schwarzen Mantel auf einem Sessel in einem Zimmer des Hospizdiensts, draußen ist es bereits dunkel. „Am Tag vor seinem Tod hat meine Mutter mich noch mal mit ins Krankenhaus genommen“, erinnert sie sich. „Ich stand an seinem Bett und wusste nicht, was ich tun soll. Ich war noch zu klein. Das hat mich lange beschäftigt. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll.“

Ihr Umfeld machte es ihr nicht leichter. Die Mutter war stark mit ihrer eigenen Trauer beschäftigt. Die Taufpatin und ihr Mann arbeiteten beide, mussten sich dazu um ihre zwei eigenen Kinder kümmern. In der Schule verstanden die anderen Kinder nicht, warum sie so viel weinte. Dass das Trauermonster – ein Bild, das die Jugendtrauergruppe nutzt – sie ständig begleitete. 

Die Gruppe des Hospizdiensts Sternentraum, an der Katja Guilliard teilnimmt, kommt einmal monatlich zusammen; abwechselnd vor Ort und online. Die Videositzungen seien erst in der Pandemie eingeführt worden, berichtet Kirsten Allgayer, Leiterin und Koordinatorin von Sternentraum. Vor allem während des Lockdowns seien sie eine gute Überbrückungsmöglichkeit gewesen. Live sind ihr die Treffen aber lieber. „Da kann man die Stimmung viel besser wahrnehmen“, erklärt Allgayer. Und das ist wichtig. Denn der Ablauf der Treffen ist nicht starr, er ist abhängig davon, was die Jugendlichen gerade brauchen. Auch wenn jede Begegnung unter einem bestimmten Thema steht, das sich die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorab gemeinsam überlegen.

Grob zusammengefasst geht es dabei entweder um die Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukunft: Erinnerungen an die verstorbene Person sind wichtig, aber auch die Frage: „Wie kann ich jetzt mit der Trauer umgehen und leben?“, sowie der Blick in die Zukunft. „Wir haben schon einmal eine Bucketlist in der Gruppe erstellt, also eine Liste, auf der die Jugendlichen festhalten konnten, was sie noch erleben möchten“, berichtet Kirsten Allgayer. Weil durch den Verstorbenen ein Lebensgrund wegfalle, sei es wichtig, sich bewusst zu machen: Dafür lohnt es sich zu leben. 

Zu Beginn jedes Treffens zünden die Teilnehmer die Kerzen an, die sie für ihre verstorbenen Familienangehörigen oder Freunde gebastelt haben. Danach wird geredet, gebastelt, gelacht, gekocht und gegessen – oder auch mal Darts gespielt. Da die Themen der Treffen inhaltlich nicht aufeinander aufbauen, können neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer immer wieder dazustoßen, alte sich verabschieden. Während manche nur zwei-, dreimal zu den Treffen kommen, sind andere jahrelang dabei. „Für uns Mitarbeiter ist der Abschied natürlich auch oft traurig, weil wir die Kinder und Jugendlichen ins Herz geschlossen haben“, berichtet Birgit Ekert. Die 62-Jährige aus Kleinaspach engagiert sich schon seit der Gründung des Hospizdiensts ehrenamtlich bei Sternentraum. „Aber es ist auch schön zu sehen, dass sie ihren Weg gehen und wieder auf eigenen Beinen stehen“, fügt Birgit Ekert hinzu. „Wir verstehen unseren Dienst als Krücke“, ergänzt Kirsten Allgayer. „Sobald das gebrochene Bein geheilt ist, kann man auch wieder ohne gehen.“ Wann das so weit ist, bestimmen die Trauernden aber selbst. Im Idealfall lernen sie dabei, dass ein Abschied auch etwas Positives sein kann.

Mittlerweile ist auch für Katja Guilliard einiges leichter geworden. Früher sei es schwierig gewesen, mit ihrer Mutter über den Vater zu sprechen. „Jetzt können wir uns manchmal auch an lustige Momente mit ihm erinnern und miteinander lachen“, sagt die 15-Jährige. Es tue ihr aber auch gut, sich mit den anderen aus der Trauergruppe auszutauschen. Mit Gleichaltrigen, die Ähnliches erlebt haben.

„Viele Kinder und Jugendliche erleben, dass sie bei dem hinterbliebenen Elternteil Schmerz auslösen, wenn sie über den verstorbenen Vater oder die Mutter reden“, sagt Kirsten Allgayer. Sie würden deshalb gar nicht mehr über den Verlust sprechen, um den Erwachsenen vor seiner Trauer zu schützen. „In der Trauergruppe“, sagt sie, „können die Jugendlichen die Erfahrung machen, dass sie über alles reden können, was sie beschäftigt, ohne dass ihr Gegenüber in Tränen ausbricht oder sie bewertet.“ Die Gruppe soll ein Schutzraum sein. „Da kann man auch mal sagen: ‚Mama geht mir auf den Keks. Papa hatte früher immer ganz viel Zeit für mich‘“, sagt Kirsten Allgayer.

Dass die Jugendlichen in der Gruppe sich in verschiedenen Trauerstadien befinden, sieht die Leiterin und Koordinatorin des Hospizdiensts als Vorteil. „Jeder kann etwas vom anderen lernen“, sagt Kirsten Allgayer. „Die, die schon länger dabei sind, sehen vielleicht: Ich bin ja schon ganz schön weit in meiner Trauer. Und denen, die neu dazukommen, gibt es Mut zu sehen: Man überlebt das. Das Leben geht weiter, auch wenn es oft schwierig ist.“ Mit der Zeit habe sie besser loslassen können, sagt auch Katja Guilliard. „Früher war es so, dass ich gar nicht mehr lachen konnte, weil der Schmerz zu groß war.“ Jetzt gehören sowohl die Trauer als auch die schönen und lustigen Momente zu ihrem Leben. Das Trauermonster ist nicht mehr ständig bei ihr.

„Wir verstehen unseren Dienst als Krücke. Sobald das gebrochene Bein geheilt ist, kann man auch wieder ohne gehen.“ Kirsten Allgayer (Sternentraum),
über die Unterstützung des Hospizdiensts

Ihre Trauerkerzen zünden die Jugendlichen vor jedem Gruppentreffen an. Das Trauermonster des Hamburger Verlags Vergiss-mein-nie (Karten) nimmt häufig daran teil.
Ihre Trauerkerzen zünden die Jugendlichen vor jedem Gruppentreffen an. Das Trauermonster des Hamburger Verlags Vergiss-mein-nie (Karten) nimmt häufig daran teil.

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